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1. Esoterik Definition
Griechisch: esoterikón: nach innen gerichtet
Nach Innen gerichtete, geistige Geheimlehre, die sich mit
Übersinnlichem, rational nicht Erfassbarem und Okkultem (lat: okkult
vom „das Verborgene“) beschäftigt.
Damit entzieht sich die Esoterik der rationalen Auseinandersetzung und
ist in ihrer Bedeutung nur ihrer „Anhängerschaft“ zugänglich. Ihr
„Erlernen“ besteht darin, ihre Ideologieelemente durch Zeremonien und
Rituale zu „erfahren“.
Gegenbegriff der „Exoterik“ bezieht sich auf rein äußeres
Faktenwissen.
„New Age“ als „moderne“ Form der Esoterik, Name leitet sich ab aus dem
Glauben, dass zum Jahrtausendwechsel ein neues Zeitalter angebrochen
sei (nach dem Zeitalter des Fisches jetzt Wassermann), das vom einem
Wandel zum „Zusammenleben in Liebe, Verständnis und umfassender
Harmonie“ geprägt sei.
Esoterik ist in dem Sinne eher als Ideologie denn als Religion
zu bezeichnen, da sie Teilen der Bevölkerung eine umfassende Erklärung
für das eigene Dasein anzubieten und ihnen das Fortgehen der Welt und
die eigene Rolle darin schlüssig zu erklären vermag. Als Theorie und
Weltanschauung, die als Teil des kulturellen Überbaus von einer
ökonomischen, sozialen und materialen Grundlage bestimmt wird, spiegelt
sie das gesellschaftliche Sein wider. Als Ideologie dient sie der
Unterdrückung, da sie die Wirklichkeit verfälscht, um so eine bestimmte
gesellschaftliche Funktion zu erfüllen. Sie versucht,
Partikularinteressen als Interesse der Allgemeinheit auszugeben.
2. Geschichtlicher Ablauf esoterischer Bewegungen und Gruppen
2.1. Helena P. Blavatsky
Seit dem 18. Jh. bestehen okkult-magische Zirkel, die einer strengen
Geheimhaltung unterlagen, und deren Mitglieder („Auserwählte“) in
mehreren auseinanderfolgenden Einweihungsgraden (Initiationen) die
Lehre mitgeteilt wurde.
Ende des 19. Jh. findet durch die Veröffentlichung der vorher geheim
verbreiteten Gedanken eine gesellschaftliche Öffnung statt: Helena P.
Blavatsky veröffentlichte 1888 ihr Buch „Die Geheimlehre“, was schnell
eine rege Verbreitung erfährt und die „moderne“ Esoterik entscheidend
mitprägt. Helena Petrowna Blavatsky (1831-1891) (Barth 2003: 28f.):
Gründerin der „Theosophical Society“, glaubte an eine „grosse weisse
Bruderschaft“, der u.a. Krishna, Buddha und Jesus angehörten. Ihre
Nachfolgerin (Anne Alice Bailey) ergänzte sie um weitere „Erleuchtete“
wie Bismarck, Mussolini, Hitler, Franco und Ghandi (der die
„Mitgliedschaft“ aber vehement ablehnte).
Zentral sind der Glaube an Karma (s.u.) und die Wurzelrassentheorie,
nach welcher sich die gesamte Menschheitsgeschichte als eine Abfolge
von sieben Menschenrassen beschreiben liesse, welche wiederum in sieben
Unterrassen gegliedert sind, die sich evolutionär ablösen. Wurzelrasse
1+2 (ab vor 300 mio Jahren) waren demnach geschlechtslose,
astral-ätherische Leiber, Nr. 3 die androgynen, menschenähnlichen,
hauptsächlich „instinktiven“ „Lemurier“, deren Nachfahren die „Neger“
sein (und damit stünden sie intellektuell auf der Stufe von Tieren),
Nr. 4 die „Atlantier“, die die Vorherrschaft hatten, bis „9564 v.u.Z.“
Atlantis versank. Atlantis war demnach auch die „Urheimat“ der Arier
(Nr. 5), und somit auch deren 5. Unterrasse, den Germanen-Angelsachsen,
die momentan die in der Evolution am weitesten fortgeschrittene Rasse
darstellen. Die jeweils evolutionär entwickelste Rasse hat nach
Blavatsky einen legitimen Anspruch auf Herrschaft und Überleben. Zum
jetzigen Zeitpunkt seien also alle noch übrigen „farbigen“ Menschen
sowieso zum Aussterben verurteilt. Eine „Dezimierung“ „niederer
Rassen“, wie es z.B. durch den Kolonialismus geschehe, sei Teil des
Karmas dieser Rasse „ihr Verlöschen daher eine karmische
Notwendigkeit“.
Die Juden nehmen als „künstliche arische Rasse“ eine Sonderstellung
ein, sie seien ein abnormes und unnatürliches Bindeglied zwischen der
4. und 5. Wurzelrasse.
2.2. Rudolf Steiner (1861-1925)
Steiner war von 1902 bis 1913 Generalsekretär der Theosophischen
Gesellschaft, von der er sich dann mit ca. 90% ihrer (deutschen)
Mitglieder abspaltete und die Anthroposophische Gesellschaft gründete.
Dabei ging es vor allem um einen Streit über Religion, da er im
Gegensatz zu Blavatskys Orientierung an anderen Religionen wie
Buddhismus und Hinduismus die christiliche Religion als überlegen
ansah. Er modifizierte die Wurzelrassentheorie zur
„Drei-Welten-Theorie“ (schwarz, braun/gelb, weiß) und wandte die
Unterteilung der Menschenrassen auf das Individuum an (Entwicklung vom
Astral-, Ätherleib zum vollausgebildeten Menschen mit „Ego“). In Bezug
auf die Rassenlehre verwendet er nicht den Begriff „Wurzelrasse“
sondern „Kulturepoche“.
Ähnlich wie Balvatsky bezog sich Steiner auf ein „Weltgedächtnis“ (die
„Akasha-Chronik“), zu der er in einem anderen Geisteszustand Zugang
gehabt haben will. Seine Lehre ist somit anti-aufklärerisch und
autoritär, denn lt. Steiner gibt es „kein gesundes Denken, dem nicht
ein auf selbstverständlichen Autoritätsglauben gestütztes gesundes
Empfinden für die Wahrheit vorausgegangen wäre“ (Barth 2003: 37).
Dementsprechend ist die erste Phase der Steinerschen Pädagogik auch von
Lernen durch Folgen geprägt. Steiner selbst ist bis heute für seine
Anhängerschaft der „Menschheitsführer“, seine Lehren werden meist
buchstabengetreu verteidigt.
Steiner bezeichnete seine Lehre als „Geisteswissenschaft“, die er der
Naturwissenschaft an die Seite stellen wolle. Letztendlich ist seine
Ideologie eine religiöse Heilslehre, die ihren Anhängern Gesundheit,
Seelenheil, übersinnliche Fähigkeiten und damit Macht durch spirituelle
Höherentwicklung des Geistes verspricht (Bierl 2001: 39) Neben dem
Glaube an Geister, Dämonen und Engel spielt weiterhin Karma eine
zentrale Rolle, d.h. die seelischen Anlagen, das körperliche Aussehen
und Befinden, das Geschlecht und die soziale Position eines Menschen
sowie sein Lebensweg seien durch Karma bestimmt. So liessen sich auch
bestimmte Krankheiten oder Behinderungen auf Fehlungen in früheren
Leben zurückführen. 1924 begründete Steiner den „dynamisch-biologischen
Anbau“, der auf Kunstdünger und chemische Behandlung von Pflanzen ,
Früchten und Unkraut verzichtete und ein „Einbringen von geistigen
Kräften in die Landwirtschaft“ forderte. Steiners Ideologie ist stark
mit den zu der Zeit vorhandenen und sich ausbreitenden
völkisch-nationalistischen Bewegungen und dem aufstrebenden Faschismus
kompatibel, auch wenn die Nazis 1935 die Anthroposophische Gesellschaft
verboten.
2.2.1. Rassismus und Antisemitismus bei Steiner
Die völkische Tradition, insbesondere sozialdarwinistische und
rassistische Auffassungen, lassen sich auch heute noch neben und in den
humanistischen Vorstellungen der Anthroposophie auffinden. Nach Steiner
sind biologische "Rassen" mit dem Grad der mentalen "Entwicklungsreife"
ihrer Angehörigen verbunden, womit eine Hierarchisierung von
Menschengruppen spirituell begründet werden kann, deren unterste
Sprossen den – aufgrund ihrer physischen "Degeneration" zum Aussterben
verurteilten – Indianern sowie den von "Trieben" und "Witterungen"
dominierten "Negern" (wegen der Sonne, die sie von innen kocht…)
vorbehalten bleiben. (Bierl, Barth, Sonnenberg) Steiner geht von der
Existenz von „Volksseelen“ aus, denen unveränderbare
Charaktereigenschaften zugeschrieben werden können wie „Neger haben
dicke Lippen und Rhythmus im Blut“ u.ä.. Bis heute sind diese Annahmen
weit verbreitet und die Anthroposophische Gesellschaft bietet Seminare
mit dem Titel an „Wirken und Aufgabe des deutschen Volksgeistes“ zu
Beantwortung der Frage „Wie gewinne ich eine seelische Beziehung zu dem
Volksgeist?“
Wie Blavatsky geht Steiner von einer Überlegenheit der
Weissen/Europäer aus und rechtfertigt ihren Weltherrschaftsanspruch, da
sie mit der Unterwerfung anderer Völker nur ihre Vorausbestimmung
erfüllen. Die weisse Rasse sei demnach die „zukünftige, am Geiste
schaffende Rasse“. Die Juden haben auch bei ihm eine Sonderstellung
aufgrund ihrer astrologischen Konstellation, der „jüdische Volksgeist“
sei eine Ausnahmeerscheinung. Steiner strebt allerdings nicht ihre
Vernichtung, sondern ihre völlige Assimilierung, ihr Aufgehen im
deutschen Volke an. Letztendlich entspräche dies seinem im Grunde
„kosmopolitischen Zukunftsvisionen“. Nach Steiner wird sich die
Menschheit durch nichts mehr in den Niedergang hineinbringen, „als wenn
sich die Rassen-, Volks- und Blutsideale fortpflanzen“. Stattdessen sei
es notwendig, dass die anthroposophische Bewegung " … gerade im
Grundcharakter dieses Abstreifen des Rassencharakters aufnimmt, dass
sie nämlich zu vereinigen sucht Menschen aus allen Rassen, aus allen
Nationen, und auf diese Weise überbrückt diese Differenzierung, diese
Unterschiede, diese Abgründe, die zwischen den einzelnen
Menschengruppen vorhanden sind."
Als Ausdruck der umfassenden Sinn- und Wertekrise in den Jahren
vor und nach dem Ersten Weltkrieg partizipierten Steiners esoterische
Lehren an dem rassentheoretischen Diskurs jener Zeit, indem er diesem
einzelne Elemente entnahm, welche er den theosophischen Ideen der
Genese von Rassen und Kulturen anverwandelte. Völkische Theoretiker wie
etwa die "Ariosophen" „Jörg Lanz von Liebenfels“ und Guido List
adaptierten Teile der theosophischer Rassentheorien, ohne jedoch deren
Einbindung in den „universalistischen und kosmopolitischen Horizont der
Blavatskyschen Theosophie zu berücksichtigen“. (Sonnenberg 2005) Steiners peripheren Auseinandersetzungen mit dem
zeitgenössischen Judentum bewegten sich im Spannungsfeld zwischen einem
„aufgeklärten“, die Assimilation bedingungslos einfordernden
Antijuduaismus und der kirchenchristlichen Tradition der
Judenfeindschaft. Demnach hätten die Juden durch den Verrat an Jesus
Christus schlechtes Karma angehäuft, das sie bis heute abzutragen
haben. (Bierl 2001: 56)
Die Mitgliedschaft in der Anthroposophischen Gesellschaft stand Juden
offen, die "Protokolle der Weisen von Zion", in denen sich der
judeophobe Verschwörungsmythos idealtypisch verdichtete, wies Steiner
ausdrücklich als "Fälschung" politisch reaktionärer Kreise zurück
(Sonnenberg 2005)
2.3. Organizismus
Als Ideologie, die die dt. Monarchie mit dem Aufkommen des
Deutsch-Nationalismus verbinden konnte und den europäischen Folgen der
Franz. Revolution entgegenwirken konnte, diente der Organizismus, der
die Gesellschaft als naturhaften, körperlichen Organismus darstellt und
so Hierarchien legitimiert (vgl. Metternich und Johann Gottlieb
Fichte). Im Gegensatz zu anderen „Nationen“, beruhte das deutsche
völkische Staatskonzeot auf der Annahme des Zusammenschlusses von
„Blutsverwandten“, also eines „Volkes“, dass durch „Blut und Boden“
eine Einheit bildet.
[bearbeiten] 2.4. Kulturpessimismus
Ausgehend von der Romantik mit ihrer Rückbesinnung auf
Emotionalität, Natur und Volkstümlichkeit und ihrer tendenziellen
Ablehnung von Fortschritt, Moderne und Materialismus, entwickelte sich
ein Kulturpessimismus, der völkisch-rassistischem und vor allem
antisemitischem Gedankengut Vorschub leistete. Die Juden wurden dabei
als Schöpfer von Materialismus, Liberalismus, Rationalismus und
Marxismus gesehen bis hin zu der Forderung, dass sie als „ein schweres
Unglück für jedes andere Volk“ auch zu vernichten seien. (Paul de
Lagarde, 1927-1891, Julius Langbehn, 1851-1907). Lagarde war Vordenker
des organisch. Völkischen Weltbildes. Er prägte den Begriff der
„Ganzheitlichkeit“, der v.a. auf Erkenntnisgewinn durch Intuition
zielte. Der Kern des Mensche sei demnach im „Willen“, den er gegen den
Verstand setzte (vgl. Hitlers „Triumph des Willen“). Langbehn war
Befürworter großdeutscher Bestrebungen und glühender Anhänger der
Rohkostbewegung und Verfechter der „intuitiv-hypnotischen Heilmethode“
als Alternative zur Schulmedizin. Wichtig waren ihm die
„Herzensbildung“ anstelle der „Verstandesbildung“. So solle auch das
deutsche Volk mittels Rückbezug auf seine „Urkräfte“ zurück zur Natur
erzogen und von einer „Überkultivierung“ befreit werden.
Die Bewegung der „Lebensphilosophie“ als philosophische
Denkrichtung des Kulturpessimismus bildete sich Anfang des 20.Jh. in
der Münchener Bohème heraus. Ihr Kern (das Esoterik-Quartett „Die
Kosmiker“) bestand aus dem Philosophen Ludwig Klages und dem Dicher
Stefan George, sowie Schuler und Wolfkehl. Sie vertraten eine
evolutionistische und aristokratische Abstammungslehre, reihten sich in
die romantizistische Ablehnung des Intellektes ein, welcher die
ursprüngliche Einheit des Leibes mit der Seele zerstöre. Hier verbanden
sich deutscher Romantizismus und Germanetum zur mystischen
Vergangenheitssehnsucht mit reaktionären Eliteanspruch. Mit Klages
Vorwürfen gegenüber den Juden, dass sie durch „Geist“ und Intellekt den
ursprünglichen kosmisch-natürlichen Zustand der Welt sersetzen,
zerbrach das Quartett 1903/04, da Wolfskehl jüdischer Herkunft war.
Auf bürgerlicher Schiene erhielt die Jugendbewegung der
„Wandervögel“ mit ihren kulturpessimistischen, esoterischen Gedanken zu
Beginn des 20. Jh. Aufschwung. Sie war technik- und
zivilisationsfeindlich und versuchten, durch „schöngeistige“,
gemeinschaftliche Gefühlserlebnisse die „Kräfte vor-industrieller
Kultur“ nachzuspüren. Dabei war das Musizieren zentral, das einer
Annäherung and die „ursprüngliche vorkapitalistische Volksseele“
diente. Bereits vor Beginn des WK I erklärten sich 80% der Ortgruppen
des Wandervogel „judenfrei“. Viele meldeten sich freiwillig zum Krieg,
der als gesetzlicher, unvermeidbarer natürlich-organischer Vorgang
gesehen wurde. Antimilitaristen wurden meist ausgeschlossen.
2.5. Ariosophie
Mit der Ariosophie wurde der Antisemitismus explizit potenziert: die
Arier galten hiernach als „Lichtvolk“, die Juden (weiterhin) als
unnatürliche Mischung aus 4. und 5. Wurzelrasse und damit als
„natürliche Feinde“, die ein „dunkles, heimtückisches Wesen“ (Mondvolk)
besäßen.
Mit Guido List (1848-1919) wurden die meisten fernöstlichen Elemente
aus einer esoterischen Bewegung verbannt, die unter Ariosphie
zusammengefasst werden kann. Er verspann Reinkarnationsglauben und
Wurzelrassentheorie so weit mit germanischer Mythologie, dass er
jegliche Energien und Weisheiten auf die Arier und insbesondere die
germanischen „Ahnen“ zurückführen konnte. Nach seiner Lehre waren die
„Armanen“ (Kunstwort aus Arier und Germanen“ eine Priesterkaste, die
das mystische Wissen der Germanen in Runen verschlüsselt weitergaben.
Die Runenschrift der Ario-Germanen sei zudem die Urschrift aller Völker
gewesen. Auch könne sich and bestimmten mystischen Kraftorten eine
Übertragung von „Energie der Ahnen“ stattfinden.
List verfolgte konkrete politische Ziele: Er wollte einen Staat von
Ariern schaffen mit klar abgegrenzten Klassenschranken, in dem die
„minderrassigen“ Menschen dienende Funktion als Tagelöhner oder Sklaven
hätten. 1906 gründete er die „Guido-von-List-Gesellschaft“ (den
Adelstitel hat er sich selbst verliehen), deren innerer Zirkel sich die
„Armanen“ nannte. 1969 wurde der Armanen-Orden wiedergegründet und übt
einen entscheidenden Einfluss unter den neuheidnischen Gruppen des New
Age aus. (Barth 2003: 48)
Adolf Lanz (1874-1954) alias Baron Dr. Jörg / Georg Lanz von Liebenfels
gründete 1900 die Sekte „Orden des Neuen Tempels“ und war Herausgeber
des ario-germanischen Esoterikblattes „Ostara - Bücherei des
Mannesrechtler und Blonden“. Er glaubte an ein prähistorisches
Arierparadiers, das durch den Sündenfall (die Freizügigkeit und Gier
der Frau) verloren ging, da sich die Gottmenschen mit affenartigen
Wesen paarten, woraus die menschlichen Rassen, abgesehen von der
arischen, hervorgingen. Damit waren die göttlichen Fähigkeiten wie
Telepathie und Allwissenheit verloren gegangen. Durch die
Sterilisierung aller niederen Rassen und dem Einsperren ausgewählter
arischer Frauen in Zuchtklöstern zur Begattung durch blonde und
blauäugige Männer, erträumte sich Lanz eine „Rückzüchtung“ der reinen
arischen Rasse. In Kontinuität zur Ariosophie wurde 1912 der Germanen-Orden
durch Theodor Fritsch in Leipzig gegründet, 1918 der süddeutsche
Ableger, die Thule-Gesellschaft (Symbol: Hakenkreuz hinterm senkrechten
blanken Schwert) durch Freiherr von Sebottendorf (1875-1945). Beides
waren elitäre, auf Führer-Prinzip und Blutreinheit beruhende
Geheimgesellschaften (mit regem Zulauf), die zum „Kampf gegen die
jüdische Weltverschwörung“ aufriefen. Bei der Thule-Gesellschaft und
dem später gegründeten paramilitärischen „Kampfbund Thule“ sind die
ideologischen und personellen Kontinuitäten zur späteren NSDAP
besonders herausragend. Die Ariospophie ist mit Thule ein wichtiger
Vorläufer, aber nicht die einzige Wurzel der NS-Ideologie, Faschismus
und Esoterik sind kompatibel aber nicht linear kausal zusammenhängend.
Der Nationalsozialismus versuchte, sich zumindest zum Teil von seine
okkulten Wurzeln loszusagen und verfolgte ab 1930 spiritistische
Tätigkeiten, um die okkulte Konkurrenz zur NS-Mythenbildung
auszuschalten.
2.6. Lebensreformbewegung
Nach WK I nährte sich die Technikfeindlichkeit an der
hochtechnisierten Massenvernichtung, wobei dem Materialismus die
Verursachung des Krieges angelastet wurde. Der Kampf der
Weltanschauungen verstärkte sich, da der Sieg des Sozialismus in
Russland und damit die Verbreitung des historisch-dialektischen
Materialismus den Irrationalismus bedrängte. In den 1920ern wanderten
diverse „Gurus“ durch die Lande und verbreiteten Heilsbotschaften
jenseits der materiellen Nöte. Die Lebensreformbewegung versuchte eine
gesellschaftliche Umwälzung durch eine Rückbesinnung auf
„Natürlichkeit“ als Lebensstil: Sinnlichkeit sollte mit Übersinnlichem
verbunden werden. Vegetariertum, Körper- und Gesundheitskulte
verbreiteten sich. Nacktheit wurde als Befreiung von Bürgerlichkeit,
Prüderie, Muffigkeit in Verbindung mit Rassenhygiene propagiert und
gelebt. Der Tanz als natürlich-kosmische Bewegung wurde unter dem Namen
„Eurythmie“ in die Steinersche Lehre aufgenommen.
2.7. Esoterik im Nationalsozialismus
Im Nationalsozialismus bleiben neben den vielen personellen
Kontinuitäten nicht wenige esoterische Elemente kontinuierlich oder
abgewandelt bestehen und wurden in die NS-Ideologie integriert. (Barth
2003: 79-86). So erfuhr die Suche nach der historischen Existenz einer
ario-germanischen „Lichtreligion“ und von Thule (als dem mythischen Ort
einer frühzeitlichen nordischen Urkultur) ihren Höhepunkt. Die Kunst
spiegelte eine „deutsche Seelentiefe“ durch
heldenhaft-mythisch-melancholische Kunst (Fidus, Arnold Böcklin und
Wagner).
Als Ideologie diente neben der spezifisch repressiven Herrschaftsform
der Irrationalismus weiterhin eine zentrale Rolle: Aufklärung und
Wissenschaft galten weiterhin as moderne Übel, die Welt wurde durch
Naturmystik und völkisch-esoterische Rassenkonstrukte
respiritualsisiert und der Pantheismus im Gegensatz zum
römisch-katholischen und jüdischen Dualismus gesetzt. Die begrenzte
Erklärungstauglichkeit des mechanischen Weltbildes wurde „erkannt“ und
mit einer metaphysische-idealistischen Denkweise zu einem
organizistischem, „ganzheitlichen“ Weltbild ergänzt.
2.7.1. Anthroposophie im Nationalsozialismus
1935 wurde die Anthroposophische Gesellschaft von den Nazis
verboten. Die Gründe dafür waren weniger ein antifaschistisches
Engagement als ihre Konkurrenz zur faschistischen Ideologie und dem
internationalen Charakter der Bewegung. Nach der Machtübernahme Hitlers
1933 hatte Guenther Wachsmuth, Vorstandsmitglied der Anthroposphischen
Ges. in einem Interview mit einer dänischen Zeitung seine Sympathie und
Bewunderung für die neuen politischen Ereignisse bekundet. Die Nazis
behelligten die Anthroposophen selten und schlossen erst 1941 die
letzte Waldorfschule. In Rudolf Hess und Walther Darré (Agrarminister
und Reichsbauernführer) hatten die Anthroposophen einflussreiche
Fürsprecher und Sympathisanten gefunden, die sich vor allem für den
biologische-dynamischen Anbau als „lebensgesetzliche Anbauweise“
begeisterten. Auch die Homöopathie sah Hess als adäquate Form der
Medizin für den NS. So beschäftigte der Kräutergarten im KZ Dachau
ehemalige Anthroposophie-Schüler, der Leiter der Naturkräuterplantage
war früher der Obergärtner der anthroposophischen Naturdrogeriemarke
Weleda gewesen. Die Menschenversuche an KZ-Häftlingen durch Sigmund
Rascher (Waldorfschüler, SS-Hauptsturmführer und Stabsarzt der
Wehrmacht, dessen Vater bekanntes Mitglied der Anthroposophischen
Gesellschaft war) wurden auch für die Erprobung von Weleda-Produkten
durchgeführt.
2.8.Esoterik nach 1945
2.8.1. Anthroposophie nach dem NS
Bis heute haben sich die Anthroposophen kaum oder nur widerwillig
mit ihrer Rolle im NS und ihren ideologischen Kontinuitäten wie dem
vorhandenen Rassismus und Antisemitismus in Steiners Werken
auseinandergesetzt. Sie sind seit WK II zu einer der gesellschaftlich
einflussreichsten esoterischen Gruppierungen angewachsen (20.000
Mitglieder in D-land, 60.000 weltweit) und konnten sich
gesellschaftlich etablieren (wirtschaftlich: Weleda, Wala, Demeter,
Unterstützung von Siemens und Bertelsmann; Bildung: „Freie Hochschule
für Geisteswissenschaften“ in Dornach und „Hochschule
Witten/Herdecke“).
Wie auch in anderen esoterischen Bewegungen macht sich auch in
der Anthroposophie ein karmisch abgeleiteter Antisemitismus breit, der
(bei der Anthroposophie aufgrund des „Gottesmordes“ an Jesus Christus)
den Juden die Schuld an der Shoah (Holocaust) zuweist. Ebenso wie sie
die Opfer haben sein müssen, so seien auch die Täter der individuellen
Verantwortung entzogen, da das Schicksal alles so vorher bestimmt
hatte, so die Anthroposophen Karl König und Ludwig Thieben. (Bierl
2001: 56 f.).
Waldorfpädagogik
In Deutschland gibt es über 160 staatlich anerkannte Waldorfschulen
mit mehr als 65.000 SchülerInnen, die vor allem aus besser situierten
Elternhäusern kommen. Die Waldorfpädagogik orientiert sich theoretisch
streng an der Steinerschen „Entwicklungslehre“, nach der der Mensch
vier Geburten durchläuft (1. physischer Körper, 2. mit Zahnwechsel
Geburt des Ätherleibes, 3. mit Beginn der Geschlechtsreife Geburt des
Astralleibes, der den Geist und die eigene Urteilsfähigkeit entwickelt,
4. das Ich oder „Ego“).
Dementsprechend wird eine frühe Entwicklung der
kognitiv-intellektuellen Fähigkeiten des Kindes als schädlich erachtet,
die „Waldorfschule ist in erster Linie eine moralisierende Schule, in
der die Seele gepflegt werden soll“, so dass gerade in den ersten
Jahren Moral durch Märchen, Legenden, biblische Erzählungen etc.
vermittelt wird (Barth 2003: 92).
Trotz der Ausrichtung der Waldorfschulen an der Steinerschen Lehre sind
Lehrpläne und Unterrichtsmaterial meist nicht esoterisch durchgefärbt.
Die meisten Schulen versuchen, Pädagogik und anthroposophische
Ideologie zu trennen, auch wenn LehrerInnen zur Vorbereitung eine
Literaturliste bekommen, auf der einschlägige Titel stehen (Ernst
Uehli: Atlantis und die Rätsel der Eiszeitkunst), ist z.B. Rassenlehre
m.W. keine Unterrichtseinheit.
In den Niederlanden wurde 1994 eine öffentliche Debatte über
rassistische Inhalte der Anthroposophie durch die Mutter einer
Waldorfschülerin angeregt. 1996 beschloss die niederländische Sektion
der Anthroposophischen Gesellschaft eine Kommission einzusetzen, die
die Vorwürfe prüfen solle. Die sieben Anthroposophen fanden 16 Zitate
in Steiners Werk, die sie selbst als schwer beleidigend und ernsthaft
diskriminierend einschätzten, weitere 66 wurden als leicht
diskriminierend eingestuft. Sie versuchten, viele Passagen aus einer
„historisch“ anthroposophischen Logik heraus zu rechtfertigen (Bierl
2001: 45/46)
2.8.2.Esoterik nach 1945
Die Esoterik erfuhr nach ´45 einen Einbruch, wenn auch v.a. unter
dem Deckmanterl der Religion nazistisch-religiöse Ideologien durch die
Nachkriegszeit gerettet wurden (z.B. Deutsche Unitarier
Religionsgemeinschaft DUR, die von Nazi-Größen im amerikanischen
Internierungslager bei Stuttgart 1946 gegründet wurde).
Mit dem Aufkommen der „Hippie-Bewegung“ wird der Spiritismus wieder
verbreitet: Körperbewusstsein, Freizügigkeit der Lebensform, Bildung
von Kommunen, Emotionalität und Natürlichkeit als Erfüllung des Daseins
erinnert an die Lebensform-Bewegung um 1900, die auch der „Illusion“
anhing, dass man durch einen alternativen Lebensstil etwas verändern
könnte, wobei nun auch Drogen der Durchbrechung der kapitalistischen
Ordnung und dem Entdecken anderer „tieferer“ oder „höherer“ Welten
dienten (Barth 2003: 93 f).
Ab 1970 verbreiteten sich quasi-wissenschaftliche Abhandlungen über das
„Neue Zeitalter“ und das Neue Denken, die ähnlich wie Oswald Sprengler
„Untergang des Abendlandes“ von 1919, die irrationalistisch und
wissenschaftsfeindlich argumentierten.
Teile der Friedensbewegung geraten ab 1980 in spirituelle Sphären
und/oder teilweise an den rechten Rand.
1982 erscheint mit Fritjof Capras Buch „Wendezeit“ das Standardwerk der
New Age Bewegung, das von einer „existenzbedrohenden“ ökologischen und
gesellschaftlichen Krise spricht. Dabei seien nicht die
gesellschaftlichen Verhältnisse oder die Produktionsbedingungen Schuld
an der Misere, sondern „unsere inneren Wertvorstellungen“, es sei eine
„Krise der Wahrnehmung“, des Bewusstseins. Auch Capra bemüht den
Sozialdarwinismus, in dem nicht das freie Individuum zähle, sondern der
kollektive Geist im gesellschaftlichen und ökologischen System. Dieses
System könne ins Wanken geraten, wenn einige Elemente „unkontrolliert“
zu „Schädlingen“ oder „Unkraut“ würden und sich nicht in das natürliche
vorgegebene System einpassen.
Rudof Bahro, Wegbereiter der Grünen (trat 1985 aus) und
DDR-Oppositioneller, verneint ebenso wie Capra eine materialistische
Gesellschaftsanalyse und fordert eine „psychologische Revolution“, mit
der er gezielt ehemals sozial-alternativ engagierte Leute nach dem
Verlust der Utopien von `68 anspricht. Er rechtfertigt den Rückzug ins
Private, da er eine Verbesserung der äußeren Welt nur durch eine
„Heilung unserer inneren Seele“ durch eine „Widerversöhnung mit der
Erde“ für möglich hält.
Weitere Elemente in den Theorien des New Age sind ein „spiritueller
Ökofeminismus“, der die Heraushebung der natürlichen, intuitiven,
weiblichen Prinzips fordert, sowie Anklänge von antisemitischer
Weltverschwörungstheorie bezogen auf das internationale Finanzkapital.
Dem Organizismus folgend spricht er sich gegen Demokratie und für ein
starkes Führerprinzip aus und befürwortet eine positive Rückbesinnung
auf die „deutsche Volksbewegung“ unter Hitler.
Bert Hellinger stellt mit seiner „systemischen Familientherapie“ die
natürliche Rangordnung innerhalb der „Sippe“ als „Schicksals- und
Seelengemeinschaft“ in den Vordergrund. Er verbindet völkisch-deutsches
Denken und Antisemitismus und Rassentheorie mit Schicksalsglauben.
Zudem rechtfertigt er sexuellen Missbrauch als natürliches Phänomen,
das letztendlich trotz seines Schrecken für das Opfer wie Sexualität
„etwas ganz Grosses“ sei.
Seit dem Umbruch 1990 findet ein konservativer „Roll-Back“
statt, motiviert durch ein wachsendes Arm-Reich-Gefälle,
Sozialkürzungen, dem Versagen linker 69’er Projekte, Niederlage der
sozialistischen Gewerkschaften und der Niedergang des Realsozialismus.
Durch diese erneute Desillusionierung findet vermehrt ein Rückzug ins
Private statt.
Im Rückblick kann festgestellt werden, dass immer während Krisenzeiten
Behauptungen von Übersinnlichem, Apokalyptisch-mystische Verkündungen
eines neuen Zeitalters oder „Reiches“ Hochkonjunktur haben. Entstehend
aus der gefühlten Machtlosigkeit einsteht ein Glaube an die
Vorherbestimmtheit des eigenen Lebens. Schicksal wird als Chance
verkauft und heute erfahrenes Leid mit karmischer Schuld begründet.
3. Astrologie und Esoterik allgemein nach 1990
Die Astrologie ist eine der wichtigsten Säulen der Esoterik. Sie
wurde im 18.Jh. von den Naturwissenschaften als
pseudo-wissenschaftlicher Aberglaube entlarvt, erlebte aber mit der
Theosophie in Wiedergeburt am Ende des 18. Jh., nach 1945 ebbte ihr
Einfluss ab bis sie ab den 70er Jahren wieder zum Massenphänomen wurde.
Heute sind Astrologie und Esoterik weniger der Zukunftsdeutung
als zu Selbstfindung/ Identitätsfindung da. („bei mehr als 50% der
astrologisch Rat-Suchenden ließen sich in einer Studie Mitte der 90er
Jahre Stress, Rollenkonflikte und schwach ausgeprägte soziale Bindungen
feststellen“), Anlass ist meist eine akute lebensverändernde
Krisensituation, bei der der Astrologe zum psychologischen Berater
wird. Das Klientel für Astrologie besteht zumeist aus denjenigen, die
im Gegensatz zu Atheisten oder denjenigen, die an einen persönlichen
Gott im christlichen Sinne glauben, die sich als „religiös
unentschieden“ bezeichnen: manchmal glauben sie einen Gott, manchmal
nicht, oder die die Existenz eines Gottes ausschließen, jedoch meinen,
dass es „irgendeine höhere geistige Macht“ gibt. Auch das christliche
Gottesbild erfährt zunehmend eine Verschiebung zu pantheistischem
Glauben (Gott befindet sich in allen Dingen, in dem Menschen, in der
Natur und nicht ausschließlich im Himmel). Im Alltag findet teilweise
eine Vermischung zwischen der Praxis der Amtskirchen und der Esoterik
statt. Mit der esoterischen Welle vollzieht sich also nicht der
Untergang“ der Religion ab, sondern lediglich ihre Privatisierung.
Religion ist nicht mehr institutionalisiert sondern synkretistisch und
kommt weitgehend ohne einen dogmatischen Kanon aus. Es findet ein
Rückzug ins Private, „Natürliche“, Überschaubare statt, wobei v.a. die
„Erfahrbarkeit“ von Religion zählt. So ist Esoterik v.a dadurch
geprägt, dass sie eine individuelle Zusammenstellung einer persönlichen
Religion ist, die aus diversen vor-„modernen“ oder „exotischen“,
insbesondere fernöstlichen Repertoires schöpft und diese Elemente
individuell interpretiert werden. Somit geht sie auch mit einer
Kommerzialisierung von Glauben einher. Bildungsgrad hat keinen großen
Einfluss, eher das urbane Milieu, Geschlecht und Alter. Das neue, esoterisch geprägte Gottesbild ist geprägt durch
meist völlig undefinierte Begriffe wie „transzendentales Wesen“ oder
„transzendentale Mächte“, „kosmischer Geist“, „übersinnliche Kraft“,
„Schicksal“ oder „Energien“. Zentral ist auch heute noch der aus dem (u.a.) Buddhismus
übernommene Glaube an Wiedergeburt (Reinkarnation), der schon bei
Blavatsky zentral ist, wenn auch in der Theosophie nicht wie im
Hinduismus oder Buddhismus eine Wiedergeburt als Pflanze oder Tier für
möglich gehalten wird. In der Übernahme fremder Religionspraktiken
spiegelt sich die romantische Kulturkritik wider, die z.B. Buddha als
das positiv Andere der als negativ empfundenen eigenen Kultur
entgegenstellt.
Immer weiter verbreitet sich der Glaube an schicksalhaft-karmische
Vorbestimmtheit (vgl. Karma im Buddhismus u.a.) von Ereignissen, wonach
alle Geschehnisse auf der Erde ihre Berechtigung hätten. Jede Sache
besäße demnach zwei Seiten, es komme nur darauf an, das Positive zu
sehen, „positiv“ zu denken, dann würde sich die Realität entsprechend
von „selbst“ einrichten. So kann der Rückzug vor allem junger Menschen
aus der gesellschafts-politischen Verantwortung esoterisch begründet
und legitimiert werden. New Age ist für die Existenzängste breiter
Schichten der Bevölkerung eine passende Ideologie, die die empfundene
Ohnmacht ertragbar lässt und sie sogar kultiviert.
Umweltschutz
Esoterik verknüpft sich seit langem mit dem Umweltschutzgedanken. In
den 80er Jahren erhielt er durch die Verbreitung von
Schreckensszenarien den Rang einer Schicksalsfrage, an der sich das
Überleben der ganzen Menschheit entscheidet und um derentwillen
bestimmte Einzel- oder Gruppeninteressen zurückzutreten hätten.
Irrationalismus
Irrationalismus erklärt auf diese oder jene Weise das
wissenschaftliche Denken für unfähig, bestimmende Zusammenhänge und
Gesetzmäßigkeiten der objektiven Realität zu erkennen. Wissenschaft
kann demnach durch Erkenntnisfunktionen wie Intuition, Erleben oder
Wesensschau ersetzt werden.
Wissenschaft hat demnach an Glaubwürdigkeit verloren, da sie unfähig
ist, alles im Zusammenhang zu erklären und Menschen sich zunehmend
gegen „Sachzwanglogik“ positionieren. In der Wissenschaft hat sich der
Positivismus durchgesetzt, der die Quelle aller Erkenntnis auf das
Gegebene reduziert und so die Gesellschaft wissenschaftlich
beschreibbar aber in ihrer Widersprüchlichkeit nicht erklärbar macht.
(Im Gegensatz zur kritischen Theorie und der dialektischen Philosophie)
Kennzeichnend für alle esoterischen Bewegungen sind demnach:
Das Herabsetzen von Verstand und Vernunft
Kritiklose Verherrlichung der Intuition als Erkenntnisorgan (im
Gegensatz zum diskursiven, abstrakten, dialektischen Denken)
Aristokratische Erkenntnistheorie (nur wenigen Auserwählten wird der
Zugang zur Erkenntnis zugebilligt)
Schaffung von Mythen (letztgültige, nicht weiter begründungsbedürftige
Aussagen werden postuliert, die die Existenz und Geschichte der Welt
und des Menschen auf das Handeln von göttlichen Wesen zurückführen)
Die Widersprüche der Realität werden nicht durch dialektisches,
kritisches Denken erklärt sondern durch das Prinzip der „Einheit der
Gegensätze“ (Yin und Yang), das den Kampf als Triebkraft der
Entwicklung (Marxismus, Materialismus) negiert.
New Age ist u.a. eine Reaktion auf den Positivismus, muss aber
in Kontinuität der Esoterik seit Ende des 19. Jh. gesehen werden :
der Bezug auf fernöstliche „Heilige“ wie Rabindranath Tagore (z.B.
durch die Wandervögel-Bewegung) und den Dalai Lama
ideele Überhöhung matriarchaler Kulturen (Bachofen) und Mystifizierung
des Weiblichen
Rekurs auf rassenhygienische , biologistische Konzeptionen der 1920er
durch das Revival der Soziobiologie im Jahre 2000
„Der Untergang des Abendlandes“ im „Kampf der Kulturen“ heute
Hinzu kommt die spezifisch deutsche Ausprägung des Irrationalismus /
der Esoterik, die diese Kontinuitäten mit einen Erbe aus
Antisemitismus, regressiver Kapitalismuskritik und einem völkischen
Nationalismus bis hin zum Erwarten eines Reiches der nordisch-arischen
Rasse kombiniert.
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